Teil II der Reihe von Gernot Riesenkäfer
1, Wie man einen Riesenkraken in seiner Wohnung hält
Zunächst ist es wichtig, zu wissen, dass Kraken extrem lichtempfindliche Tiere sind. Es ist daher zunächst wichtig, ein geeignetes abgedunkeltes Umfeld zu schaffen. Dies erreicht man am besten dadurch, dass man die Fenster der Wohnung zumauert.
Dann dichtet man die Wohnung sorgfältig und druckbeständig ab. Sinnvoll ist es bereits jetzt, die Einrichtung auf ihre Wasserfestigkeit zu durchmustern und gegebenenfalls nachzurüsten. Gute Dienste leistet hier Kunstharz, mit dem man sämtliche Einrichtungsgegenstände gut und dauerhaft versiegelt.
Man muss darauf achten, dass das Wasser, das man hiernach einlässt, den richtigen Salzgehalt und die richtige Temperatur hat: Riesenkraken sind Kaltwassertiere der subarktischen Tiefsee, der Salzgehalt sollte nicht zu hoch sein.
Ein Riesenkraken wird bis zu 13 Metern lang, die Wohnung sollte also unbedingt gross genug bemessen sein! Riesenkraken brauchen viel Bewegung, sie sind schnelle und ausdaurnde Schwimmer. Bitte beachten Sie, dass auch der Wasserdruck den Verhältnissen in 200 Metern Tiefe angenähert sein sollte! Es empfiehlt sich, die Wände rechtzeitig angemessen verstärkt zu haben.
Um sich selbst im ca 5 Grad (Celsius) kalten Wasser der Wohnung fortzubewegen, empfiehl sich ein Neoprenanzug mit ausreichend grossen Sauerstoffflaschen, eine Lampe sowie – unbedingt! – eine Harpune, um sich gegen den Kraken erforderlichenfalls durchsetzen zu können.
Hier wären wir schon beim wichtigsten Thema: der Kraken braucht grosse Mengen Fisch zu essen, die er sich entweder in den dunklen Tiefen Ihrer Wohnung erjagen muss oder, wahrscheinlicher, die Sie ihm zuführen müssen. Sie können mit einer Menge von ca. 200 kg pro Woche einen mittleren Kraken bereits satt und glücklich machen.
Zu unvergesslichen Abenden mit Freunden bei der Fütterung Ihres neuen Haustiers gratuliert bereits jetzt
Gernot Riesenkäfer.
2. Wie man die Menschen für seine Sache gewinnt
Oft ist es, gerade für politische Aktivisten, schwierig und frustrierend, dass ihre Positionen in der Öffentlichkeit nur selten und wenn, dann verzerrt, zur Kenntnis genommen werden. Ich habe deshalb Ihnen, meine sehr verehrten Leserinnen und Leser, zur Handreichung ein paar kleine Ratschläge zusammengestellt, mit denen Sie die Menschen für Ihre Sache gewinnen können.
a) Der Flugzettel
Das wichtigste ist natürlich der Flugzettel. Er sollte einfache oder doppelte Postkartengrösse haben und beidseitig eng (zweispaltig, Blocksatz, Times New Roman, 8pt) bedruckt sein. Gut sind witzige Zwischenüberschriften, am besten englische Songzeilen, die sich gut abheben gegen den zumeinst lateinischen Haupttext. Sprechen Sie über nichts, was sie nicht ausfühlrich aus den Kategorien Staat und Kapital ableiten! Sie beweisen damit Wahrhaftigkeit. Scheuen Sie sich nicht davor, immer dasselbe zu sagen. Irgendwann, seien Sie sich gewiss, wird es verstanden werden.
Fürchten Sie nicht Begriffe, die Sie nicht verstehen; das Publikum versteht sie auch nicht besser als Sie, sie werden also nicht blamiert werden. Auch keine Sorge bei Sätzen, die selbst Sie schwer verstehen: so etwas erregt Respekt.
Das wichtigste ist aber, bei allem, was Sie schreiben, Ihre Ausführungen an den gesunden sittlichen Anschauungen anzudocken, die wir doch alle miteinader teilen. Wenn es Ihnen nicht gelingt, Ihre Anschaungen mit allgemein geteilten Werten zu vermitteln, werden Sie als sog. Extremist ausgelacht werden. Das schadet der Wirkung.
b) Der Umzug
Veranstalten Sie doch einen Umzug! Das ist lustig und macht Eindruck. Tun Sie sich zusammen, setzen Sie entschlossene Gesichter auf, ziehen Sie durch die Stadt! Vergessen Sie nicht, schwarz zu tragen, die Farbe der Todfeindschaft gegen diesen Staat und diese Gesellschaftsordnung. Untermalen Sie dieses militante Auftreten mit Parolen, die jedermann versteht und mit denen alle etwas anfangen können: „Nazis raus!“ ist ganz gut, aber „Nieder mit dem Bullenterror!“ ist auch nicht schlecht. Sie zeigen damit dem Bürger auf der Strasse, dass Sie sich keineswegs gegen den Staat, sondern gegen Überschreitungen von Kompetenzen wenden wollen. Vergessen Sie nicht: Weniger als 5% der Bevölkerung wären bereit, an einer Demonstration unter der Parole „Mehr Bullenterror!“ teilzunehmen.
Den Umzug krönen Sie mit Redebeiträgen, deren Text Sie am Abend vorher hastig dem Internet entnehmen. Lesen Sie sie nicht zu gründlich durch, das verleiht dem ganzen eine gewisse Spontaneität. An Stellen, die Sie beim Vortrag plötzlich entdecken, an denen für Sie untragbare Positionen ausgedrückt werden, kommen Sie übrigens geschickt vorbei, indem Sie noch undeutlicher reden. Ganz mutige lösen die peinliche Situation, die entstehen könnte, durch lautes Lachen auf.
Um zu verhindern, dass das alles etwas langweilig wird, geben Sie während des Umzugs regelmässig neue Parolen aus. Keine Sorgen, wenn sie thematisch nicht recht passen wollen! Die Abwechslung ist das Geheimnis jeder guten Party. Skandieren Sie bei einer Demo gegen Gen-Mais auch gerne Sprechchöre zugunsten der Freilassung von politischen Gefangenen.
Fortsetzung folgt