Innovation und Vielfalt – das ist das Pfund, mit dem Würzburg wuchern kann. Gerade die facettenreiche Medienlandschaft Würzburgs zeugt von der Kreativität und Innovationsfreude unserer Mitbürger. Kein Bäcker, kein Café, kein Hauseingang, in dem nicht eine mannigfaltige Auswahl lesenswerter Gratis-Heftchen bereitläge.
Prisma-Magazin, zuckerkick, prima Sonntag, wob, Der Kessener, Würzburg spezial, TOP Magazin, Meeviertel Anzeiger, usw., usf.: Es gibt viele gute Gründe, einen Blick auf die Presseerzeugnisse unserer pulsierenden Mainfranken-Metropole zu werfen.
In der ersten Folge des Presseclubs interessiert uns besonders Prisma, Der Kessener, zuckerkick sowie der Meeviertel Anzeiger.
Beginnen wir die Umschau mit der Zeitschrift Prisma, die sich für „Heilung und Bewusstsein in Franken“ einsetzt. Im Editorial zur April/Mai-Ausgabe (18.500 Exemplare) schreibt Herausgeber André Hammon: „Es werden wohl noch Jahrzehnte vergehen, bis der Mensch seine wahre Sinnlichkeit entdeckt und einen natürlichen Umgang damit gefunden hat. Mit der neuen Prisma-Ausgabe können Sie schon mal einen Vorgeschmack bekommen, was uns erwartet und wie Lust und Sinnlichkeit zu einem seelenreichen und erfüllten Leben beitragen können“.
Diesem Versprechen, erscheint es zunächst auch etwas sehr ehrgeizig, wird tatsächlich schon auf der ersten Seite entsprochen: „Seid gegrüßt meine Freunde des Lichtes, OMAR TA SATT, ich BIN KRYON vom magnetischen Dienst“, begrüßt uns die Anzeige der Kryon-Schule. „Ich – KRYON, sowie auch einige andere Engelwesen des Universums haben uns dazu entschlossen, diese Schule zu gründen, um euch auf dem Weg des Erwachens zu lehren, zu leiten und zu führen“. Auch eine zweite Anzeige, die für die Internationalen Engeltage 2008 in Müchen wirbt, hilft uns, unsere wahre Sinnlichkeit zu entdecken.
Die Artikel sind ebenfalls sehr aufschlussreich: Die Redaktion hält „Die Rückkehr der Weißen Büffelfrau“ aufgrund von zuverlässigen indianischen Quellen für wahrscheinlich, und auch die hoffnungsvolle Partei „Die Violetten“ sei im Kommen („Würde jede/r bayerische Prisma-Leser/in eine Unterschrift leisten, […] dann würden 50.000 spirituell interessierte Menschen die Teilnahme der Violetten an den Landtagswahlen bestätigen“).
Es zieht sich ein sympathischer emanzipatorischer Grundton durch Prisma: Es sei, schreibt etwa Heide Marie Heimard, „an der Zeit, die sexuelle Energie aus der Verpanzerung in unseren Körpern zu befreien und zum Fließen zu bringen. Dann kann sie zum Segen der ganzen Menschheit ihre heilige Kraft entfalten und uns die Glückseligkeit schenken, zu der wir geboren sind“. In anderen Artikeln wird die Linkspartei, neben den Violetten, als neuer Hoffnungsträger gelobt, ebenso wird das Grundeinkommen befürwortet.
Das bayerische Reinheitsgebot für Bier von 1516 wird hingegen als bloßes „Keuschheitsgebot“ verteufelt, als „besänftigendes Gebräu, damit uns auch ordentlich die Lust auf Liebe vergeht!“.
Nicht weniger Freigeist als André Hammon ist Bernhard A.W. Kessener (M.A.), seines Zeichens Herausgeber von Der Kessener. 10.000 Exemplare wurden für März und April kostenlos verteilt, mit der Warnung: NOCH KOSTENLOS. Der Kessener will „Würzburg zur Marke“ machen und „Impulse für Gesellschaft, Politik, Hochschule, Ökonomie und Kultur“ geben.
Im Editorial der März/April-Ausgabe thematisiert B.A.W. Kessener (M.A.), ob nicht auch für unsere Stadt gelte, was Hegel damals bemerkte: Eine „Entzweiung zwischen der Poesie des Herzens und der Prosa der Verhältnisse“. Herr B.A.W.K. (M.A.) erläutert: „Es kann doch nicht angehen, dass Kunst, Geisteswissenschaft und auch die Geschichte ihrer Aufgabe beraubt werden, uns in dieser entzauberten Welt eine vorübergehende Befriedigung zu verschaffen“.
Der interessanten Einleitung sind zwei Fotos angefügt: Eines mit zwei Geistlichen darauf und eines mit Wowereit, der einen Kessener in der Hand hält. Der Text dazu: „Es gibt zwar Aussagen, dass Würzburg nur sich selbst genügt. Andererseits aber bringen Persönlichkeiten wie Erzbischof Zollitsch, Kardinal Lehmann und Berlins regierender Bürgermeister Wowereit ganz andere Horizonte in die fränkischen Gefilde. Die Öffentlichkeit wartet auf glaubwürdige Aussagen in allen Bereichen der Gesellschaft und alle Drei machten bei ihrem Auftreten Aussagen, die verkrustete Strukturen aufbrechen und in Frage stellen“.
Diesem Aufruf zur Revolte folgen dann viele Infos zu Kunst und Kultur in Würzburg (sympathischerweise ohne chronologische Ordnung) und ein Special für alle U2-Fans unter uns: Der Kessener verlost 3×2 Tickets für einen neuen 3D-Film in Dettelbach, der ein U2-Konzert in Südamerika zeigt!
Diese Wohltat für den Leser passt wunderbar in das Konzept der Zeitschrift, denn das Motto von B.A.W.K.M.A. lautet: „Gewinn und Wachstum müssen nicht immer Selbstzweck sein, sondern man könnte sie einbinden, als Folgen sinnvoller Dienstleistungen“.
Kommen wir von diesem ambitionierten Philosophen-Magazin zu einer echten Sternschnuppe am Kulturhimmel Würzburgs. Das Design vom zuckerkick 03/08 ist mal wieder so schön, dass man meinen könnte, der Inhalt müsse dagegen ja verblassen. In Wahrheit aber ist auch der Inhalt, etwa die Bildstrecke mit den Model-Geschwistern Anna und Ali in den Weinbergen, sehr gut gelungen: die Instore-Markenklamotten von only, ltb, diesel, mogul, itchi und freeman t. porter stehen den Beiden mindestens so gut wie die darunter gesetzten Liedzeilen von Dirk von Lowtzow: „imitationen von dir/ befinden sich in mir/ imitationen von dir/ verbünden sich mit mir/ wir sind so leicht, dass wir fliegen“.
Neben der Schönheit findet, wie in einem guten Tocotronic-Song, aber immer auch die Traurigkeit einen Platz im zuckerkick. Ein Beispiel dafür ist die Geschichte über eine Würzburger Studentin, die ihr Studium mit Prostitution finanzieren muss und tragischerweise dem eigenen Vater im Hotelzimmer begegnet. Oder das bedrückende Märchen aus der spießigen Arbeitersiedlung Maierfilz in Niederbayern, in der alles „ordentlich, gleich und grau“ ist. Wo sich der ungeliebte Spast Hermann schließlich einen Tunnel bis Australien gräbt, um mit einem kanariengelben Autobus vor dem sozialistischen Patriarchen und Monopolisten Gustav Laubenthal zu fliehen. „Vom Tellerwäscher zum Millionär“ schleudert Hermann dem Planwirtschaftler entgegen, bevor er die Reise in die Freiheit antritt.
Bodenständiger geht es da im – ebenfalls kostenlosen – Meeviertel Anzeiger zu. „Wo sind die Kasernenkatzen geblieben?“, fragt etwa die Januar-Ausgabe auf ihrer Titelseite. Die packende Reportage geht der Frage nach, was mit den Katzen geschehen ist, die „sich nach der Räumung der US-Kasernen rund um Würzburg mit einem Mal in einer Betonwüste ausgesetzt sahen“. Das Blatt gibt Entwarnung: „Für die meisten von ihnen endete die schreckliche Erfahrung […] mit einem Happy End: Sie fanden 280 km entfernt, nahe der Schweizer Grenze, ein neues liebevolles Zuhause“.
Besonders spannend ist im Meeviertel Anzeiger stets auch die regelmäßige Kolumne „Neues aus dem Kindergarten St. Burkard“, in der sowohl die Erlebnisse der Frosch- und Käfergruppe nachempfunden werden können wie die Fortschritte der Vorschulkinder. Die „Aufregung um den Besuch des Nikolaus“ (Januar 08) war in dieser Rubrik ebenso Thema wie die „turbulente Faschingszeit“ oder das anstehende Osterfest (März 08). Die April-Ausgabe gibt bekannt, dass nach den nasskalten Tagen nun wieder Spaziergänge geplant seien und alle Kinder deshalb „auf laues sonniges Wetter“ hofften.
Die journalistischen Standards, die hier gesetzt werden, müssen auch von hervorragenden Magazinen wie zuckerkick, Der Kessener oder auch Prisma erst noch erfüllt werden.
Im nächsten Letzten Hype hoffe ich Sie wieder zum Presseclub begrüßen zu dürfen.
Freundlichst,
Ihr Sebastian Loschert.