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Kapitalistischer Schrott

Etwas mehr als 20 Jahre Cernobyl. Ein paar Jahre angeblicher Atomausstieg. Und unzählige Jahre des beleidigenden Geschwätzes von den sogenannten sichersten Reaktoren der Welt, die wir hier stehen hätten. Der sozialistische Schrott in Chernobyl war Schrott, ja, unbestritten; und dann, als er in die Luft geflogen war, hat Gorbatchevs Staat es erst zugegeben, als es schon überall messbar war.

Hier, bei „uns“, kann so etwas natürlich nicht passieren. Hier haben „wir“ sogenannte westliche Sicherheitstechnik. Hier wird kein Atomkraftwerk explodieren, nur weil sich zufällig herausstellt, dass die Kühlstäbe von unten in den Reaktor eingeschoben werden müssten, aber nicht mehr können.

Hier können höchstens Kühlstäbe nicht mehr in den Reaktor eingeschoben werden, weil sie sich in der Hitze verbogen haben. Hier wird man nicht die Fehler von Chernobyl nochmal machen. Wieso auch, es gibt genug eigene, die man machen kann.

Die kapitalistische Atomwirtschaft ist Mord, so wie die sozialistische Atomwirtschaft Mord war. Vattenfall hat in einer Handvoll Monaten fast 3 Kernschmelzen produziert, und das ist nur das, was man nachträglich erfahren hat; auch bei e.on hat es gebrannt, wie man heute weiss, und dabei ist noch lange nicht eingerechnet, was man nicht weiss.

Und auch hier war erst gar nichts, dann ein bisschen was, und dann kann man immer noch den Vattenfall-Chef feuern und hoffen, dass alle dann glauben, damit hätte sich irgendetwas geändert.

Das wirklich schlimme ist, dass es stimmt. Es glauben wirklich alle. Niemand erhebt Einspruch. Niemanden scheint es zu wundern, immerhin, es ist nichts neues; aber wo ist auch nur die mindeste Spur des Protestes?

Wo ist die ruhmreiche Anti-Atom-Bewegung? Wo sind die wackeren Kämpen, die immer Betroffenen, die Mütter gegen Atomkraft und die sonstigen Vereine für Umwelt- und Lebensschutz, die bisher noch nie vor einer Mahnwache zurückgeschreckt sind? 20 Jahre nach Chernobyl ist etwas passiert, nach dem auch der letzte Idiot nicht mehr glauben kann, dass so etwas nicht jederzeit auch hier passieren könnte. Und alles schweigt. Schweigend lassen sie die Verantwortlichen Schadensbegrenzung betreiben, das heisst: Vertuschung.

Die Wahrheit ist: es gibt da nichts mehr. Nicht mehr die Anti-Atom-Bewegung, nicht mehr die Linke, schon lange nicht mehr ihre wenigen Stärken und nicht einmal mehr ihre vielen Idiotien; nicht mehr als Objekt der Kritik, nicht einmal mehr des Spottes. Es gibt uns und sonst nichts, und das ist erschütternd wenig.

Die bisherige Anti-Atom-Bewegung hat gezeigt, dass sie in kritischen Momenten verstummt. Der Weg wäre also frei, immerhin, ohne die Kontamination des Lebens- und Heimatschutzes, der in dieser Bewegung niemals gefehlt hat, in Erinnerung zu bringen, dass eine Gesellschaftsordnung, in der solche Kraftwerke betrieben werden können, nichts anderes ist als die vollendete Verneinung des Menschen.

Jörg Finkenberger

Posted in aktuell, heft 2, jörg finkenberger.


4 Responses

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  1. Administrator says

    nein. gibt es nicht.

  2. sahra says

    „Es gibt uns und sonst nichts, und das ist erschütternd wenig.“

    wen meint der autor mit „uns“? gibt es eine bewegung auf die er sich stützt?

  3. Sabine DeCuir says

    Hallo Jörg,
    deine durchaus deutlichen Worte und Ansichten teilen wir durchaus – aus Sorge. Denn kommt etwa ein AKW-Betreiber für die Nach- und Endsorgungs-Kosten auf – nein, die Polizeieinsätze und die Infrastruktur der Zwischenläger zahlt der Steuerzahler.

    Daher
    in deutschen AKWs.

    Sabine DeCuir
    PR Sprecherin Westaflex

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  1. Westaflex Markenwelt Lufttechnik Schallschutz Filtration » Blog Archiv » In der Vattenfalle linked to this post on 2007/08/01

    […] Als in den siebziger Jahren die Atomkraft ins Gerede gekommen war und der Protest auch gegen friedliche Nutzung der Kernenergie immer massiver und populärer wurde, konnte man oft diese Szene erleben: Auf einem Podium stritten sich vor großem Publikum Befürworter und Gegner der Kernkraft, und das Bild war immer dasselbe. Und manche „Atomkraft nein danke“-Bewegung hat auch heute noch ihren Sinn und sehr viele Fürsprecher. […]