Jede Stadt bekommt die Zeitung, die sie verdient. Gerade über Würzburg schwebt der graue Schleier der Selbstzufriedenheit, dessen Kritiklosigkeit ganz Deutschland ergriffen hat und sich in der Main-Post-Presse voll entfalten kann. Kritische Standpunkte, die die WürzburgerInnen in ihrer Eitelkeit kränken könnten, werden unter den Teppich gekehrt und stattdessen heimattümelnde Selbstliebe praktiziert. Dieses Jahr musste der Beitrag zum Jahrestag der Reichspogromnacht leider schmaler Ausfallen: es stand ja schließlich die närrische Jahreszeit vor der Tür.
Die Main-Post hat längst entdeckt, dass ihre mainfränkischen Schäfchen viel lieber von ihrer flauschigen Heimat- endlich dürfen sie wieder Heimat sagen – lesen, als vom Elend derer, die sich aufgrund ihres gesellschaftlichen Status nicht zuhause fühlen dürfen. Man will ja die LeserInnen nicht überfordern. So liest man die Überschrift „Tracht gegen Globalisierung“ in einem Artikel über das Jubiläumsfest des Burschenvereins Sommerhausen. Die Heimat zählt also wieder als Identitätsstifter wider die fremden Mächte. Auch dem „Tag der Heimat“ der Vertriebenenverbände fügt sich in das Wohlfühlvergnügen ein. Der BdV-Bezirksvorsitzende Albert Krohn darf zu Wort kommen: „Das im Grundgesetz ursprünglich verankerte Wiedervereinigungsgebot zielte auf ganz Deutschland, und Deutschland endete bekanntlich nicht an der Oder-Neiße-Linie“. Mir ist nicht bekannt, dass die Main-Post jemals ein kritisches Wort über die Vertriebenenverbände verloren hat. Im Juli, inmitten der Diskussion um NSDAP-Zwangsrekrutierungen, bietet die Main-Post Herrn und Frau Musterfranke die Möglichkeit, 62 Jahre nach Kriegsende in der Zeitung ihre Seele rein zu waschen . Am peinlichsten jedoch war die diesjährige Berichterstattung zu den Gedenkveranstaltungen zum Jahrestag der Reichspogromnacht: auf der Titelseite des Würzburger Teils vom 10.11. war der Main-Post das Anbrechen der fünften Jahreszeit anscheinend wichtiger. Würzburg Alaaf!
Will man die allgegenwärtige journalistische Kritiklosigkeit verstehen, die nicht nur Presseerzeugnisse der Main-Post-Gruppe, sondern auch die sonstigen Stadtmagazine aller Couleur, beherrscht, so muss man die gesellschaftliche Entwicklung der letzten Jahrzehnte betrachten. Man kann den JournalistInnen der Main-Post gar nicht vorwerfen, oder zumindest einem Großteil von ihnen nicht, dass die neue Freude am gesellschaftlichen Sein und der fehlende kritische Blick einer bewussten Intention entsprungen sind. Die bürgerliche „kritischen Öffentlichkeit“, und mit ihm der/die klassische links-liberale JournalistIn, ist nahezu ausgestorben und wurde durch einen gesellschaftlichen Zustand abgelöst, der mit der Kritik an den Zuständen nichts mehr anzufangen weiß. Das Unbehagen von damals geht in einem Fahnenmeer aus Freudentaumel über die deutschen Zustände unter, sei es durch Lokal-Patriotismus, sei es durch die bloße Beschreibung des Seienden.
Doch gerade in Würzburg prägt die Main-Post der öffentlichen Meinung ihren Stempel auf, nicht nur umgekehrt. Die Presse und die Lokalpolitik bedingen sich dabei gegenseitig. Die Allgegenwärtigkeit der Main-Post-Gruppe, die mit dem konservativen Volksblatt, der liberaleren Main-Post und dem Popmagazin neun7 alle ihre potentiellen LeserInnen bedient, bauscht marginale Meldungen zu kolossalen Themen auf und füllt so die provinzielle Leere mit vorsätzlichem Inhalt . So kann man sich bezüglich der penetranten Fokussierung auf die „Randale“ Betrunkener nach der Shuttle-Party fragen, wen jene Ausschweifungen mehr gestört haben: die Main-Post oder die AnwohnerInnen? Jedenfalls hat sich mittlerweile der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Würzburger CSU, Thomas Schmitt, das Verbot der Shuttle-Partys auf die Fahne geschrieben. Auch die Übernahme von Polizeimeldungen zeigt die völlige Unfähigkeit, die Zeitung mit Gehaltvollerem zu füllen. Die Überbesetzung der Polizeistationen in Würzburg führt dazu, dass mit Kanonen auf Spatzen geschossen wird. Polizeiarbeit in Würzburg ist zumeist nichts anderes als eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für gelangweilte PolizistInnen. Die OrdnungshüterInnen tragen durch ihre Presseberichte wiederum dazu bei, dass die Journalisten der Main-Post den Lokalteil füllen können. Menschen mit kleinbürgerlichem Bewusstsein wird so das Gefühl vermittelt, in einer gefährlichen Stadt zu leben: die Inszenierung des Nichts ist perfekt.
Auch um die Kundengruppe unter dreißig Jahren wird gebuhlt. Aus Boulevard Würzburg, einer Art Bild-Zeitung für Mainfranken, wurde die neun7, eine Zeitung für die Popkultur. Doch die Konzert-Reviews und Reportagen entkommen ihrer fortwährenden Selbstbestätigung nicht. Im Moment baut die Main-Post ein privates Internet-Portal mit Hilfe von StudentInnen der Sozialwissenschaften auf und schafft sich so ihren eigenen Nachwuchs: Wer ausreichend Credit-Points sammeln möchte, muss einen Artikel für die Main-Post im Internet veröffentlichen. Diese Verknüpfung von Privatunternehmen und offiziellem Uni-Betrieb bleibt fragwürdig, auch wenn sie in den nächsten Jahren zur Normalität werden wird. Einer der ersten Artikel, der auf jenem Online-Portal erschien, handelte vom 25sten Geburtstag des reaktionären Instituts für Schlesien-Forschung: anscheinend bleibt auch ein Portal wie dieses dem Abfeiern des Status Quo verpflichtet .
Jede Stadt bekommt die Zeitung, die sie verdient. Und der graue Schleier der Selbstzufriedenheit liegt über fast allem, was JournalistInnen in Würzburg zu Papier bringen. Es gilt, diesen falschen Frieden zu entlarven. Eine Publikation mit kritischem Anspruch kann daher kein „anderes“ Würzburg repräsentieren, sondern nur die Verneinung der Selbstgefälligkeit sein. Ein Text wie dieser kann nicht vorsichtig kritisieren und sich damit in den journalistischen Nihilismus einreihen, er muss polemisieren. „Gutmütige Enthusiasten dagegen, Deutschtümler von Blut und Freisinnige von Reflexion, suche unserer Geschichte der Freiheit […] in den teutonischen Urwäldern. […] Die Kritik jedoch […] ist die Kritik im Handgemenge, und im Handgemenge handelt es sich nicht darum, ob der Gegner ein edler, ebenbürtiger, ein interessanter Gegner ist, es handelt sich darum, ihn zu treffen. Es handelt sich darum, den Deutschen keinen Augenblick der Selbsttäuschung und Resignation zu gönnen. Man muss den wirklichen Druck noch drückender machen, indem man ihm das Bewusstsein des Drucks hinzufügt, die Schmach noch schmachvoller, indem man sie publiziert.“
Von Benjamin Böhm
Richtig! Die Main-Post ist eine der schlechtest recherchierenden und voreingenommensten Blätter Deutschlands. Sie hält sich durch ihr Monopol penetrant in den Köpfen der Würzburger Duchschnittsspießer. Sehr verachtenswertes Blatt ohne journalistischen Ethik-Kodex und Anspruch.
ihr seid alle dumm
Die gestrige Mainpost war ein gutes Beispiel für das, was Benny schrieb. Unter der Überschrift „Erinnerung an ein großes Unrecht“ wird die Enthüllung einer Gedenktafel, die an das „Schicksal der Vertriebenen“ erinnern soll, abgehandelt. Pia Beckmann wird mit den Worten zitiert, sie fände es beachtlich, dass „die Vertriebenen auf Rache verzichtet“ hätten. Der Vertriebenenfunktionär Albert Krohn darf unwidersprochen „die Gräuel“ beklagen, die „Deutsche allein wegen ihrer nationalen Identität“ ertragen mussten. Tausendfache Morde an Deutschen seien immer noch ungesühnt.
Einige Seiten weiter ein Artikel aus der Mainpostserie „Untergang und Neubeginn“, in der der Einfallsreichtum und Überlebenswille der Nachkriegsdeutschen abgefeiert werden. Diesmal geht es um „selbstgemachte Seife aus Knochen“. Rindsknochen wohlgemerkt. Der Krieg ist ja vorbei.
un übahaubt is die mainpest fei lang nix so schlimm wie die emos!
scher dich in den wuerzblog, wo du hingehörst.
ganz verstehe ich die kritik ned. soooo schlimm ist neun7 ned. n bisserl langweilig vielleicht. die mainpest ist größtenteils harmlos. aber schau mal das volksblatt an. das ist die mainpest. nur die artikel sind annders verteilt. ist das pressefreiheit? was kann man da wählen? wenn man die mainpest nicht will und ne alternative abonniert, kriegt man die mainpest wieder nur n anderer name steht drüber. schöner beschiss.
die von der mainpest sinnd auch extem online-debil. neun7.de kann man grad wegwerfen, die seite ist stinklangweilig und ich find nicht mal die aktuellen artikel aus dem heft drauf.
die mainpest kann man auch online überhaupt ned gescheit lesen. ich glaub, da kümmert sich keine sau drum. im politik oder wirtschaft teil sieht es aus wie kraut und rüben und aktuell ist was anderes. geht doch nichts über spiegel.de.
hahahaha ich verreck
die google-ads sind ein beliebtes thema. scheint niemand zu kapieren, dass die automatisch von blogsport geschaltet werden um die serverkosten zu decken (weil auch linke blogs nix geschenkt bekommen). die ads kann man auch gegen welche von bannervista tauschen.
ganz werbefrei bekommt man seinen blog übrigens mit einer kleinen spende bei blogsport. die nötigen einstellungen könnt ihr im admin-bereich unter optionen->k2-options vornehmen.
und dann gibts, wie der_die admin schon feststellte, adblock-plus als letzte möglichkeit um die werbung loszuwerden.
google-ads? seh ich nicht. liegt vll an adblock.
statt rumzumaulen, könnte man uns natürlich auch mitteilen, wie man die google-werbung wegkriegt. aber statt dessen nur das negative, immer nur das negative. schlimm sowas!
thx hype,
bester artikel seit langem. wer das pseudointellektuell nennt ist wohl selbst nicht in der lage was vergleichbares zu papier zu bringen.
1. Guten Tag lieber Herr Knahn,
die „kritischen Geister“ des Letzten Hypes fühlen sich geschmeichelt. Die Redaktion ist übrigens mehrfacher Träger des „Nestbeschmutzung-des-Jahres“-Preises.
Mit freundlichen Grüßen.
dass die mainpost grottenschlecht ist, darüber brauchen wir nicht reden. aber auf welcher seite die selbstzufriedenheit zu suchen ist …?
pseudointellektuelle kapitalismukritik auf einer internetseite mit google-werbung, das läst tief blicken
hahahaha ich verreck
Vergessen, wie viele hoch dotierte Journalisten-Preise in den vergangenen Jahren an Redakteure der Main-Post gingen? Wahrscheinlich einfach vieles nicht mitbekommen:
Mehrfach der Adenauer-Preis, mehrfach die Auszeichnung „Lokaljournalist des Jahres“. All diese Auszeichnungen gab es für herausragenden, außergewöhnlichen und kritischen Journalismus. Für neun7 nenne ich beispielhaft Themen der vergangenen sechs Monate: Die Geschichten über die RAF in Unterfranken und die über die Szene der Neonazis in Unterfranken oder ein ganz kleines Teilchen, das Städte-Extra zu Marktheidenfeld Anfang Dezember. Wer hier Kritiklosigkeit vorwirft, polemisiert tatsächlich. Kritik findet aber nicht jeden Tag auf jeder Zeitungs-Seite statt. So schlimm ist diese Region nicht. Und: Wir lieben kritische Geister, am liebsten, wenn sie sich beteiligen. neun7 ist eine offene Redaktion. Kontakt über mich, ivo.knahn@neun7.de.