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Der Stumpfsinn der universitären Lehre

Einige Anmerkungen zum Studium in Jahre 2008

Wir leben in einer Welt, in der wir zuerst gehen und sprechen lernen.
Später lernen wir dann still zu sitzen und den Mund zu halten.

Manche Momente fühlen sich wie der Eintritt in das Reich der Freiheit an – und sind es leider nur bis zu dem Moment, in dem wir zu realisieren beginnen, dass alles, was uns die bürgerliche Gesellschaft verspricht, eine bloße Lüge, nämlich die Verneinung der menschlichen Vielheit, zu sein scheint. Haben wir wieder einmal eine Hürde erklommen, die uns die Gesellschaft in den Weg gelegt hat und die einzig und alleine aus dem Grund existiert, um die Klassenstruktur zu erhalten und uns in die Verwertungsmaschinerie zu integrieren – das Abitur oder ein universitärer Abschluss zum Beispiel – so kann das befreite Gefühl, die ganze Welt vor sich zu haben und alle Möglichkeiten zu besitzen, nur von kurzer Dauer sein. Denn genauso, wie wir in unserer Schulzeit lediglich zu einem fleißigen Bürgerchen erzogen werden, geht es in der Universität weiter – still zu sitzen, den Mund zu halten und im richtigen Moment universitäre Lehrmeinungen wie vom Tonband abzuspielen, bleibt die beste Devise.
Beginnt man das Studium aus Interesse am Fach und nicht von Vorneherein mit einem festen Berufsziel, so wird man bereits nach den ersten Tagen als StudentIn enttäuscht: studentische Freiheit ist nichts anderes als eine Worthülse, die keinen Inhalt besitzt oder besaß – nicht vor 40 Jahren und schon gar nicht im Jahre 2008. Dies fing bereits bei meiner ersten Vorlesung an, die als Frontalvortrag knapp zwei Stunden dauert und meist Fragen keine einzige Minute einräumt – von kritischen Zwischentönen, die den/die ProfessorIn aus dem akademischen Elfenbeinturm führen könnten, ganz zu schweigen. Genauso wie die Gesellschaft ist auch die Universität eine Maschinerie, in der um Machtpositionen gerungen wird und in der Autorität benutzt wird um kritische Töne möglichst klein zu halten. So mag das Interesse am Fach noch so groß sein: Entweder man legt den Enthusiasmus ab, stellt die eigenen Suchbewegungen größtenteils ein und schleimt sich bei möglichst vielen mächtigen Menschen ein, oder die/der scheinbar Freie entdeckt seine Unfreiheit, die Eindimensionalität des gesellschaftlich anerkannten Zusammenlebens und der akademischen Lehre. Eigentlich kann man sich vom ersten Semester an nur „hoffentlich komme ich hier unbeschadet hindurch!“ denken.
Mit den Bologna-Prozessen und der Einführung von Bachelor/Master-Studiengängen werden Studierende noch viel weniger über die Grundlagen ihrer Wissenschaft und einer möglichen kritischen Auseinandersetzung mit dem Unibetrieb in Berührung kommen. Universitäre Abschlüsse sind nichts anderes als Berufsausbildungen. Die Unterwerfung der akademischen Lehre unter die Gesetze des Marktes ist nur die logische Konsequenz aus einer Wissenschaft, die bei Strafe ihres eigenen Untergangs dem Kapital zur Verfügung stehen muss. Die Tatsache, dass jene Umstrukturierungsmaßnahmen sowohl bei der so genannten organisierten StudentenInnenschaft als auch beim Lehrpersonal auf kaum Widerstand stießen, verdeutlicht, das die Lehre keineswegs frei ist, sondern sich wie alle anderen Elemente der Gesellschaft lediglich um die Sonne des Kapitals dreht. Das Bild einer kritischen Masse von Studierenden, das sich vom Jahre 1968 bis in die Gegenwart erhalten hat, ist reiner Kitsch geworden. Wenn Solidarität unter den Studierenden eingefordert wird, dann klingt dies für mich wie ein schlechter Witz. Ich werde einen Teufel tun, mich mit den deutschen Eliten von morgen zu verbrüdern.
Das Problem der Menschen, die erkannt haben, dass sie in der verkehrten Gesellschaft leben und die richtige Gesellschaft wollen, ist, das sie zuviel zu verlieren haben. Man fühlt sich teilweise pudelwohl als KritikerIn der bürgerlichen Gesellschaft und bewegt sich doch in den spießbürgerlichsten Kreisen. Den vorgezeichneten Weg seiner eigenen Klasse zu verlassen und auf die Meinung seiner Verwandten zu pfeifen – dazu haben nur wenige den Mut, und jenen AussteigeInnen gilt mein vollster Respekt. Für die restlichen Studierenden gilt nur, das positive aus der Studienzeit schätzen zu wissen: Ein bisschen vom unbeschwerten Leben der Jugend in die Erwachsenenzeit zu tragen. Man kann nur hoffen, die Unizeit möglicht unbeschadet zu überstehen, denn Platz für eine kritische Lehrmeinung bietet die Gegenwart kaum. Die Aussage, dass die Universität nichts anderes ist, als eine Ausbildungsstätte für Eliten, kann in Zukunft niemanden mehr verwundern.

Wir leben in einer Welt, in der wir zuerst gehen und sprechen lernen,
Später lernen wir dann still zu sitzen und den Mund zu halten.
Es ist die Reihenfolge, in der man die Dinge lernt,
die uns zu dem machen was wir sind.

Von Yvonne Hegel

Posted in allgemeines, drama und tanz, evi schmitt, heft 6, kino und tv, kritzel, spiele, unterhaltung.


2 Responses

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  1. Berry says

    Das kann nur ein Text eines völlig vom Leben frustrierten Radikalinskis sein, der anscheinend nicht verstanden hat, wie die Zeiten sich geändert haben.
    Die linken Kämpfe, die du kämpfst, sind seit 30 Jahren ausgeträumt. Mach dich mit der Realität vertraut und such‘ dir einen bürgerlichen Job. Dann bin ich gespannt, wie sehr du noch meckern wirst.

  2. Henry says

    Lass mich raten: Politikwissenschaft?
    Ansonsten sprichst Du mir aus der Seele