Eine notwendige Richtigstellung
Das Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Vereins für Bildung und Kultur Würzburg e.V. ist eröffnet, das akw! ist offiziell insolvent. Und schon haben sich im offiziellen Kulturbetrieb der Stadt Legenden darüber gebildet, woran es gelegen haben dürfte, und insbesondere natürlich, wer zuletzt daran schuld war.
Denn es ist ja eine mittlere Katastrofe für ein verschissenes Kaff: diejenige Location, in der sich der alternative Teil des studentischen Milieus seit Anfang der 90er gesellig die Laternen ausknipsen durfte, ist jetzt zu. Hier haben einige den besseren Teil der Vortäuschung ihrer wilden Jugend verbracht, bevor sie wurden, was sie sind.
Wer keine teuren Erinnerungen an eine vergangene Jugend braucht, wer den Hass und die Beweglichkeit nicht verlernt hat, wird der Bumsbude in der Frankfurter Strasse keine Träne hinterherweinen müssen. Zuletzt war es sowieso nur noch eine Quälerei. Und schon vor zweieinhalb Jahren, als der Verfasser dieser Zeilen die Ehre hatte, ein Vierteljahr im Vorstand des Vereins dabeizusein, hat man sehen können, dass es zwecklos ist. Damals wäre wohl der richtige Zeitpunkt gewesen, zuzumachen.
Damals, 2006, hatten wir den Vorstand übernommen, nachdem der damalige Erste Vorsitzende mit dem Rest seines Vorstandes zurückgetreten war. Der Laden, den wir übernommen haben, war so verschuldet, dass wir schon damals geprüft haben, ob wir verpflichtet sind, Insolvenz anzumelden; der Laden war hoch verschuldet, die Reserven aufgefressen, und der Investitionsrückstand war auch ganz beträchtlich. Es war ganz einfach im Durchschnitt seit 2004, und zwar sich zyklisch verschärfend, weniger Geld reingekommen als rausgegangen war, und darauf wurde in verschiedener Weise falsch reagiert.
Ein Laden wie das akw! betreibt grundsätzlich Wertschöpfung wie folgt: Bier zu Einkaufspreisen wird durch Bespielung mit der Art von Kultur, die die Kundschaft mag, veredelt zu Bier zu Thekenpreisen. Die geheime Zutat, die den Preisaufschlag (der ca. 200% betragen sollte) rechtfertigt, ist genau das kulturelle Profil. Kultur und Bier kommt rein, Pisse und Mehrwert (aus dem die Löhne und die Zinsen gezahlt werden) kommt raus.
Man verzeihe meine rauhe Sprache angesichts einer rauhen Realität, aber süsslich tun war nie meines, und abgesehen davon ist die Zeit dafür vorbei.
Der vorherige Erste Vorsitzende hat zunächst den grundsätzlichen Fehler begangen, die Linie, die er dem Laden auferlegte, nicht aus dessen Profil zu entwickeln, weniger süsslich ausgedrückt: er war des Irrtums, dass es dem Laden egal sein könnte, was für Musik man dem Bier zusetzt, wenn sie nur insgesamt genug Leute zieht, durch deren Nieren das Bier wieder zu Pisse wird. Er hat aber übersehen, dass das akw! steht und fällt mit einer Stammkundschaft, die gehalten, und ständiger Neukundschaft, die erst einmal kulturell erzogen werden muss (ja, erzogen. Ein Laden wie das akw! hat niemals einfach spielen können, was das Publikum sich so wünscht. Er lebt davon, es auf gewisse Weise herauszufordern.) . Wer aber ernsthaft „Knorkator“ ins akw! holt, muss sich über nichts mehr wundern. Es begann das Stammpublikum massiv wegzubleiben und die Neukundschaft derart beliebig zu werden, dass man sich wirklich auf das Niveau herunterbegeben hatte, mit dem Zauberberg und dem Labyrinth konkurrieren zu müssen; eine Konkurrenz, die für das akw! nur ruinös sein konnte. Das akw! hat eine Marktlücke abseits des main streams, oder es hat keine.
Wir haben das alles schon Ende 2005 gesagt. Damals konnte man noch drüber streiten.
Er war des weiteren unfähig, mit den alten Mitarbeitern des akw! umzugehen. Er hielt sich einfach für den Chef. Befehlen kann man anderswo, vor allem, wo einem der Laden gehört. Im akw! holt man sich damit gelegentlich Streit ins Haus, vor allem dann, wenn man unrecht hat, was ja gelegentlich vorkommen soll. Dann kann man natürlich die entsprechenden Mitarbeiter auch einfach rausschmeissen, solange, bis man selber vom wirklichen Chef, der Vereinsversammlung, rausgeschmissen wird.
Zuletzt war er unfähig, die Notbremse zu ziehen, als es noch Zeit war. Stattdessen wurde weitergemacht, bis es schon lange zu spät war. Man hätte es wahrscheinlich abwenden können, aber er war dazu nicht der richtige.
Die nach ihm kamen, haben es ja auch nicht geschafft, eine konsistente Linie zu entwickeln. Sie waren aber auch, was für ihn nicht gilt, durch die finanzielle Lage an Händen und Füssen gefesselt. Eigene Fehler haben sie natürlich auch gemacht.
Man muss bedenken, dass nicht nur viele unter ihnen sind, die z.B. Indie für eine Musikrichtung halten (also im Grunde für etwas weicheren Rock) statt für ein ökonomisches Segment (independent, dh unterhalb der major-Label). Die Qualität des Publikums war dann auch danach. (Hauptsach, sie tanzen, pflegte der weisse Wal zu sagen, wie er so vieles zu sagen pflegte.)
Sie haben aber durch unbezahlte Arbeit eine ganz konsiderable finanzielle Entspannung geschafft, und waren zunächst auf dem Wege einer wirklichen Besserung, bevor ihnen eine unvorhersehbare Nachforderung der Stadtwerke das Genick gebrochen hat. Und schon erzählten gewisse Idioten in Würzburg (und das akw! war noch gar nicht tot!), dass diese angeblich unfähigen neuen Leute das akw! zu Grunde gerichtet hätten. Unter dem vorherigen Vorstand wäre es ja noch gutgegangen.
Witzig, denn der Schuldenstand, den wir damals übernommen haben, hat sich eigentlich gar nicht besonders erhöht. Die jetzige Insolvenzlage des akw! gab es genausogut schon vor zweieinhalb Jahren, und wir hätten damals Insolvenz anmelden müssen; wenn, ja wenn nicht die Gläubiger selbst, zu deren Schutz es das Insolvenzrecht ja gibt, darauf verzichtet hätten und uns gebeten hätten, weiterzumachen. Ich wusste damals bald nicht mehr so ganz, weswegen man das eigentlich macht, für die Zinsen der Bank, und um die Blösse der Stadt zu bedecken, oder für uns, und bin dann auch wieder raus; andere haben weitergemacht, irgendwann hat es sie eingeholt. Hätten sie es zuletzt besser machen können? Sicherlich. Hätten sie eine Chance gehabt? Ich glaube nicht.
Jörg Finkenberger
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