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Würzburger Lagerphantasien

Presseschau: Würzburger Lagerphantasien

Solange es opportun ist, verarbeitet die Mainpost die Äußerungen ihrer Leserschaft. Per SMS soll diese an Umfragen teilnehmen und harmlose Online-Leserkommentare werden gerne zu redaktionellen Artikeln zusammengefasst, Gar nicht wird jedoch reflektiert, wenn die Leser in den Online-Kommentaren rassistische oder faschistische Äußerungen von sich geben – was eher Regel als Ausnahme ist. Diese Arbeit nehmen wir gerne ab: Eine Sonderausgabe der Presseschau, Schwerpunkt „Lagerphantasien“.

Das erste Beispiel: Am 14.12.2008 übernahm die Mainpost einen Polizeibericht, druckte ihn unter der Überschrift „Krawalle bei Demo: Polizist verletzt“ ab. Innerhalb weniger Stunden entwickelte sich eine rege Diskussion (die heute nicht mehr auf der Homepage zu finden ist).
– Der Mainpost-Leser Mr. Anton reagiert auf den Zwischenfall auf dem Weihnachtsmarkt geschockt: „Diese Unruhestifter gehören sofort aus dem Weg gezogen! Schlagstock raus und drauf! Die sollen arbeiten gehen und ihre Energie dort einsetzen, assoziales Pack!“.
– Dieser Meinung schließt sich der User dreckschlame ungeteilt an: „Dieses Asoziale Pack müsste im Steinbruch arbeiten! Dann wären sie spät Abends zu müde um „Scheisse“ zu bauen. Bei solchem Gesindel sollte keine Rücksicht genommen werden wenn es ums Prügeln geht-denn die nehmen auch keine! Gute Genesung dem verletzten Polizeibeamten, denn der kann am allerwenigsten dazu!“
– Auch eine Person namens Wahrheit verfügt über ein ungetrübtes Rechtsempfinden und verlangt größere Handlungsspielräume für die Staatsmacht: „Leider muß die Polizei solche Deppen mit Samthandschuhen anfassen, normalerweise gehört da richtig draufgedroschen, daß die sich nicht mehr rühren“.
– Es ist jedoch Bratbaecker, der die prägnanteste Antwort auf die Greueltaten der Chaoten findet: „ES LEBE UNSER HEILIGES DEUTSCHES VATERLAND“.
– Konkreter setzt sich wiederum der Leser Frankenstrasse mit den Ereignissen auseinander und bemängelt die fehlende Effizienz der Exekutive: „Leider wurden von diesem Gesindel nicht mal 10% festgenommen!!!Von diesem Asozialem Panks hatte man 90% einbuchten müssen“.

Zweites Beispiel: Am 4.5.2009 veröffentlichte mainpost.de eine Reportage über die Bedingungen im Flüchtlingslager in der Veitshöchheimer Strasse: „Gemeinschaftsunterkunft: Schlimme Kindheit im Lager“. Bei diesem Thema konnten die Mainpost-Leser damit punkten, dass sie zumeist schon eigene Lagererfahrungen hinter sich haben.
Schaefer55 etwa schreibt: „Erzählt mir nicht, dass Kasernen menschenunwürdig sind. Ich mußte meine Wehrpflicht ableisten“. Er vertritt den Standpunkt: „Die erwachsenen Flüchtlinge können daher von mir aus gerne unter einem Lagerchef aufräumen, putzen, streichen, Kinderspielgeräte zusammenbauen und andere Arbeiten machen. Das sind schließlich nicht alles Kinder“.
– Auch maggy1414 ist des Aufhebens um Depressionen, Lagerkindheit, Enge, Lärm, Angstzustände, Schimmel, etc. überdrüssig: „Die sollen froh sein, dass sie überhaupt hier in unserem Land leben dürfen. Die Wohnverhältnisse in der Unterkunft sind vielleicht bescheiden (für unsere Maßstäbe), aber garantiert in mind 90% der Fälle immer noch besser als wie in dem Land, woher die meisten von denen kommen (ein Teil des Kommentars wurde von der Redaktion gelöscht)“. Den „Gutmenschen“ stellt er die berechtigte Frage: „Ist bei euch jetzt auch mal die Krise angekommen? Oder wieso habt ihr morgens Zeit solche Aufsätze hier zu schreiben?“
Schimmel18 nimmt dagegen die Asylsuchenden teilweise in Schutz und fordert zu einer differenzierteren Diskussion auf. Er gibt seinem Vorredner Schafer55 zu bedenken: „Ich denke, mehr Hartz 4 Empfänger bekommen Geld vom Staat als Asylsuchende. So geh erst mal auf die los, die zum Teil zu faul sind zu arbeiten“.

Drittes Beispiel: Vollkommen einhellig war die Lesermeinung zu dem Artikel „28-Jähriger tritt Polizeibeamtem (sic) ins Gesicht“ vom 8.8.2009. Laut Polizeibericht/Mainpost habe ein „mit körperlichem Zwang“ in den Dienstwagen verbrachter Mann von der Rückbank aus den Fahrer an der rechten Backe getroffen. Dieser „konnte leichtverletzt mit einer Prellung und Kopfschmerzen seinen Dienst fortsetzen“.
– Der User steehawer reagierte am schnellsten auf den Riesen-Skandal und schrieb: „Vor solchen Zeitgenossen muß die Bevölkerung unbedingt geschützt werden,hier hilft leider nur wegsperren und nochmals wegsperren“.
– Der Leser bastihd kennt ebenfalls genau die Gefahren, die von Alkoholisierten ausgehen, weiß jedoch auch um das laxe Justizwesen in Deutschland: „Statt zum Richter Gnädig direkt ab in den Knast… Solche verwahrlosten Typen gehören sofort in den Knast, egal ob sie einen festen Wohnsitz und gesoffen haben oder nicht. Stattdessen werden sie einem deutschen Richter vorgeführt, der gleich wieder ausreichend viele Milderungsgründe findet, um diesen Ratz sofort wieder laufen zu lassen. Hat der erst seinen Rausch ausgeschlafen und sich über die Einfalt von Richter Gnadenreich amüsiert, wird die nächste Flasche Wodka reingezogen, damit man nach der nächsten Schlägerei erneut als vermindert zurechnungsfähig eingestuft und gleich wieder laufen gelassen wird. So ist es halt mal in Deutschland“.
Waldi69 findet, man kann die Forderungen seiner Gesinnungsgenossen nicht oft genug wiederholen: „Wegsperren und nie wieder rauslassen !!!! Solche Typen liegen uns nur auf der Tasche. Wie lange solen die Deutschen noch zuschauen bevor sich hier was ändert ?!?!“
– An dieser Stelle schaltet sich DarthVader mit einem interessanten Vorschlag in die Diskussion ein (ob es sich bei DarthVader um Jürgen Elsässer handelt, konnte nicht restlos geklärt werden): „Wegsperren auf immer muß nicht immer die beste Lösung sein. Kostet auch uns – dem Steuerzahler – sehr viel Geld! Und da setzt die USA – wie oben beschrieben – auch bessere Mittel ein. Dort gibt es s.g. Erziehungslager. Das bedeutet: 05:00 Uhr aufstehen, Morgensport, Duschen, 06:00 Uhr Frühstück und um 06:30 Uhr gehrt´s dann ran an gemeinnützige Aufgaben. Das ganze erfolgt unter einem Drill, der unsere Bundeswehr in einem gemütlichen Sanatorium erscheinen läßt. Wir haben in unserem Land auch viele Aufgaben! Wir könnten z.B. den Borkenkäfer in unseren Wäldern bekämpfen. Diese Jungs (leider auch Mädels) müssten nur die umgefallenen Baumstämme aus unseren Wäldern herrausziehen und somit einen sehr guten Beitrag für unseren Naturschutz tätigen. Nach 12 Stunden sollte dann aber schon Schluss sein. 18:00Uhr duchen, 18:30Uhr Abendessen 19:00Uhr gemeinschaftliches Fernsehn und 20:00Uhr Bettruhe. Schließlich muß man am nächsten Tag wieder fit sein! Mindestaufenthalt: 1 Jahr!“
– Dieser Vorschlag löst allgemeine Zustimmung aus. Innowep möchte nur eine kleine Verbesserung berücksichtigt wissen: „Sie haben perfekt recht mit dem was sie schreiben. Fernsehen? Nicht einmal das würde ich solchen Kanalien gestatten!!“
– Auch winnem hat einige Verbesserungsvorschläge für die Bestrafung von betrunkenen Rückbanktretern zu bieten: „Perfekt! Nur das TV würde ich streichen, statt dessen eine Stunde Sport – als Ausgleich für die schwere körperliche Arbeit. Danach, direkt vor dem zu Bett gehen, noch einmal kalt duschen.“
– Ein gewisser grayjohn, offenbar Ökonom, äußert sich ebenfalls zur Zwangsarbeit: „Liebe Vorredner/innen, bitte nehmen Sie’s mir nicht übel (im Grundsatz stimme ich mit Ihnen überein, was unbelehrbare Zeitgenossen angeht), aber früher waren so etwas einmal REGULÄRE JOBS. Die sind (leider) im Rahmen der Mechanisierung weggefallen (…) Eigentlich sollten wir nach Konzepten (nennen wir’s von mir aus Gemeinnützige Beschäftigung) verlangen, die dem Müßiggang von vorneherein vorbauen und eben nicht als Strafe, sondern als sinnvolle Tätigkeit gelten.“
Baerchi lässt die ausgefeilte Müßiggang-Theorie grayjohns links liegen und fordert kurz und schmerzlos: „Der Typ gehört in einem Raum ohne Zeugen und dann drauf auf die Nase aber richtig“ (kurz darauf von der Redaktion gelöscht).

Ein Gedanke zum Schluss: Diese Presseschau zeigt recht gut, mit welch Eifer und Kreativität unsere Mitbürger von den Möglichkeiten der Kommentarfunktion Gebrauch machen, wenn man sie nur lässt. Allein zum Thema Lager und Zwangsarbeit! „Den Borkenkäfer bekämpfen“, „Schlagstock raus und drauf“ oder „dem Müßiggang von vorneherein vorbauen“ waren nur die drei geistreichsten Ideen. Dies sollte für die Politik Ansporn sein, basisdemokratische Elemente überall in unserer Gesellschaft voranzutreiben. Warum nicht über die Höhe des Hartz 4-Satzes in einem Volkbegehren abstimmen lassen? Oder über die Befugnisse der Polizei? Und weshalb sollte nicht die Mehrheit über die Einführung der Todesstrafe (für Kindesmißbrauch o.Ä.) abstimmen dürfen?

Je direkter desto besser,
sagt Sebastian Loschert

Posted in aktuell, allgemeines, das wetter, drama und tanz, fundstücke, gesellschaft, mainpost.


6 Responses

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  1. hundinger says

    gut auch das:
    http://www.mainpost.de/lokales/bayern/S-Bahn-Schlaeger-18-entschuldigt-sich-bei-Familie-des-Opfers;art16683,5289016,3-pg1#pg

    und vollkommen absurd das:
    http://www.mainpost.de/lokales/wuerzburg/Schicksal-von-Kater-Findus-erregt-die-Gemueter;art735,5290344

    drei gelöschte kommentare bei einer tiergeschichte. muss ganz schön zur sache gegangen sein.

  2. ilja says

    die Prügelfantasien der Main Post Leser hören einfach nicht auf. Diesmal gehts um Ultras die 3 Cops verkloppt haben sollen(so steht es zumindest in der „Zeitung“. Wahrscheinlich haben sie einen blauen Fleck oder eine Schürfwunde)

    „Fanprojekte sind Unsinn.Prävention muß lauten.Prügel mit dem Gummiknüppel u. zahlen.Solches Schläger einsperren , da zahlt leider nur der Steuerzahler.Fazit: Prügel ,sehr hohe Geldstrafen u.Stadionverbot!!!!“

    http://www.mainpost.de/lokales/bayern/-bdquo-Schickeria-ldquo-Vorfall-Polizeigewerkschaft-kritisiert-Herrmann;art16683,5264898#kommentare

  3. ilja says

    Auch die Kommentare zu den sog. „Feuerteufeln“ aus der Zellerau, die 3 Autos abgefackelt haben, bieten alles was das deutsche Herz begehrt.

    z.B.

    „Solchen Leuten gehört ihre eigene Bude abgefackelt, aber die besitzen sie ja meist auch nicht mal. Einfach alles assoziale so etwas hat mit Politk nix zu tun. Ich hoffe das es nicht noch öfters in der Heimat passiert,“

    mehr davon gibts beim Artikel
    http://www.mainpost.de/lokales/wuerzburg/Unbekannte-fackeln-Autos-ab-Polizei-Brandstiftung;art735,5243463

    Einige Kommentare sind allerdings auch schon wieder gelöscht.

Continuing the Discussion

  1. „Knast ist halt kein ponyhof“: Hungerstreik in der JVA Würzburg und die Stimme des Volkes « BiKri linked to this post on 2012/02/09

    […] Dank des grauenhaft niveaulosen Journalismus der Main Pest wissen wir nur von wenigen – und eher belanglosen – Forderungen der Häftlinge. Haben die Anstaltsleitung und das bayrische Justizministerium nur noch die diese Forderungen bekanntgegeben oder hat die extrem selektive Wahrnehmung der Main Pest-Schreiberlinge die Forderung nach besseren Lebensbedingungen in der JVA Würzburg auf Wolldecken, Kopfkissen, „russisches Essen“, Fliegengitter vor den Fenstern und Fernsehgeräte reduziert, wissen wir nicht. Ebenso wenig wissen wir, wie momentan die Lage im „Russenhaus“ ist, wie viele noch mitmachen und ob der Streik denn überhaupt noch läuft. Es gibt allerdings ein stilles Örtchen im Internet, wo ein Teil des doitschen Volkes, das vom Weltgeist dazu verdonnert wurde, die unterfränkische Pampa zu bewohnen, sich über aktuelle Geschehnisse austauscht (Der letzte Hype berichtete: 1, 2). Beziehungsweise auslässt. Oder viel mehr auskotzt und ausscheißt. In den Kommentarspalten der Main Pest-Internetpräsenz hat sich die Stimme des Volkes vor allem an das missverstandene Thema „Essen“ angehängt. Um so heftiger wurde gegen die Gefangenen gehetzt, um so größer waren allgemeines Unverständnis und Hass auf Insassen, handelte es sich ja um eine ethnische Minderheit, die sehr wenige kennen, von der aber alle scheinbar übelst viel Ahnung haben. Dreist war es nicht erst, als Häftlinge überhaupt irgendwas zu fordern, sondern überhaupt hierher zu kommen. Und was die „anständigen“ Doitschen sich niemals erlaubt haben, nämlich für ihre eigenen Interessen (notwendigerweise) gegen den geliebten Standort Doitschland aufzustehen, das gönnen sie den „Fremden“ und „Kriminellen“ schon gar nicht. Daher müssen z.B. Bereitschaftspolizisten und Bundeswehrsoldaten als das gute Gegenbeispiel herhalten: sie müssen auch Schlimmes ertragen, mucksen aber nicht auf, sondern – fügen sich und dienen dem doitschen „Gemeinwesen“. Im Folgenden – eine kleine Auswahl aus Ahnungslosigkeit, Ignoranz, Ressentiment und Grausamkeit. Ein paar Schmänkerle, also. […]

  2. Habt ihr Ideen für einen Weihnachtsbasar? | Wii die Revolution linked to this post on 2009/08/29

    […] Würzburger Lagerphantasien | der letzte hype […]

  3. Würzburger Lagerphantasien | der letzte hype linked to this post on 2009/08/13

    […] Würzburger Lagerphantasien | der letzte hype […]