Skip to content


Ordnung, Disziplin und Lagerfeuerromantik

Aufgrund von drastischen Kürzungen in der kommenden Print-Ausgabe (14b/15) werden wir einige (auch längere) Artikel lediglich online veröffentlichen. Es folgt ein Gastbeitrag.

Ordnung, Disziplin und Lagerfeuerromantik
Katholische BootCamps in Unterfranken

Als vor einiger Zeit die Medienöffentlichkeit auf die neofaschistische Jugendorganisation
Heimattreue Deutsche Jugend (HDJ) aufmerksam wurde, war das entsetzte Erstaunen groß. Berichte über Sommerlager im Stil der HJ und die neofaschistische Indoktrinierung von Kindern machten genauso die Runde wie Bilder von uniformierten Kindern, Fackelzügen und „Führerbunker“-Zelten. Nach anhaltender Berichterstattung ist die HDJ mittlerweile verboten. Keineswegs unbemerkt von der Provinzöffentlichkeit, vielmehr mit deren Wohlwollen aufgenommen fühlen sich hingegen seit Jahrzehnten Jugendlager in Unterfranken, die zwar aus einer gänzlich anderen ideologischen Spielrichtung des Bürgertums kommen, nämlich dem Katholizismus, deren gesellschaftliche Funktion aber die gleiche ist: Brutale Disziplinierung und Einbindung von Kindern in sexistische und rassistische Kategorien. Die Rede ist von Zeltlagern, die jahrjährlich von Jugendorganisationen des Katholizismus, namentlich vor allem den Ministranten, abgehalten werden. Dort erfahren Kinder ab dem Grundschulalter, abgeschieden von jeglicher Rest- Zivilistation, bei Lagerfeuerromantik Disziplin, Ordnung und Drill. Im folgenden soll ein Aussteigerbericht dokumentiert werden, der die Geschehnisse in diesen Lagern treffend schildert:

>> Die Teilnehmer eines Ministranten-Zeltlagers sind in der Regel zwischen 8 und 20, in Ausnahmefällen bis 25 Jahre alt. Sie organisieren die Lager selbst, theologische sowie organisatorische Hilfe bekommen sie dabei von der Pfarrgemeinde als auch dem Bund der Deutschen Katholischen Jugend. Die Lager finden oftmals in den Pfingstferien, einer Jahreszeit, die von sehr unsteter, nass-kalter Witterung geprägt ist, auf Wiesen oder Waldlichtungen fernab jeder Rest-Zivilisation statt. Diese Abgeschiedenheit ist bereits Teil des reaktionären Programms. Im Zeichen der Lagerfeuerromantik wird so ein naturwüchsiges, anti-modernes Leben idealisiert.
Errungenschaften der Unterhaltungselektronik sind während des Lagers genauso verboten, wie Kommunikation zur Außenwelt und Duschen. Vielmehr wird sich bei militaristischen Spielen „amüsiert“: Inszenierte und gewünschte Schlägereien, bei welchen die Konstruktion maskuliner Stärke nur einen ihrer vielen Ausdrücke auf solchen Lagern findet, gehören genauso zum
Programm, wie Tagesmärsche und der sog. nächtliche Überfall. Dabei versuchen befreundete Jugendorganisationen die Zelte des Lagers einzuwerfen und die zuvor im Stile einer militaristischen Zeremonie gehisste Lager-Fahne zu stehlen. Verhindert werden soll das durch die Aufstellung von Kindersoldaten, die verängstigt in stockfinsterer Nacht Wache halten müssen, und dem kämpferischen Eingreifen älterer Lagerteilnehmer, deren heldenhafter Einsatz ihnen Ehre und Ansehen in der Lagergemeinschaft einbringt. Dabei wird den Kindern spielerisch die Idealisierung eines kriegsähnlichen Zustandes und militärischer Riten nahe gebracht. Zur Lagerfeuerromantik des Lagerlebens gehören selbstredend auch gemeinsame Liederabende am Lagerfeuer. Aus einem vorgegebenen Repertoire an Liedern wünschen sich die Lagerteilnehmer ihre Lieblingsstücke. Die Wahl fällt dabei oftmals auf sexistische und/oder rassistische Lieder, die auch gerne mehrmals am
Abend gesungen werden. So wird in einem beliebtem Lied die Vergewaltigung eines Mädchens/jungen Frau am Donauufer glorifiziert. Ein anderes handelt von angeblichen „Negeraufständen in Kuba“, bei welchem die „Neger“ als brutale, Weiße massakrierende Kannibalen dargestellt werden. Die Lieder werden so oft gesungen und ihre Melodien sind so eingängig, dass ich sie selbst heute nach Jahren noch auswendig singen könnte. Kinder im Grundschulalter werden so unterbewusst mit rassistischen und sexistischen Kategorien vertraut gemacht, Ältere können dabei ungestört ihren Ressentiment freien Lauf lassen.
Eine weitere Form der Disziplinierung von Kindern und Jugendlichen bei Ministranten Zeltlagern sind Abhärtungsrituale. Die schon erwähnten Dauermärsche, die fester Bestandteil der Lagerwoche sind, finden bei jedem Wetter statt. So marschieren die Kinder, unabhängig ihrer körperlichen Verfassung und Vermögens, sowohl bei frühsommerlicher Hitze als auch bei klirrender Kälte, Regen und Hagel von Morgens bis Spätabends über Feldwege. Eine Freistellung wird nur in Ausnahmefällen gegeben. Eine andere Form der körperlichen Abhärtung stellt der allmorgendliche Morgensport- und Waschritus dar. Direkt nach dem Weckruf, der gegen 7:30 Uhr erfolgt, gilt es sich zum Morgensport aufzustellen. Die Teilnahme daran ist verpflichtend. Danach gehen die weiblichen Lagerteilnehmer in ein Waschzelt, während der männliche Teil sich unter freiem Himmel bei kältesten Temperaturen oberkörperfrei mit eisigem Wasser waschen müssen. Wer diesem Ritual nicht nachkommt muss mit Disziplinierungsmaßnahmen rechnen, die bis zur brutalen Zwangswäsche gegen den Willen des Einzelnen führen. Keine Beachtung finden natürliches Schamgefühl vor der öffentlichen Entblößung oder Angst, sondern werden als Schwäche und
fehlende männliche Härte diskreditiert. Kernstück der Disziplinierungs- und Konditionierungsfunktion der katholischen BootCamps ist eine ausdifferenzierte Hierarchie, die sich sowohl in zwischenmenschlichen Beziehungen per se gleichgestellter Mitglieder vor allem in Formen des Mobbings zeigt, als auch in der Ausübung offizieller Ämter. Mobbing, ein gesamtgesellschaftliches Problem, tritt bei den abgeschotteten Lagern der katholischen Jugendorganisation in besonderer Härte auf, weil, analog zu Geschehnissen in Kasernen, die Opfer hier zum einen keine Chance haben ihren Peinigern aus dem
Weg zu gehen, zum anderen sich das Mobbing mit den Erlebnissen der offiziellen Hierarchie verzahnt. Diese definiert sich in erster Linie durch Alter und Ansehen. Das Lager wird durch eine sog. Gruppenleiterrunde geleitet, der ein oder zwei Oberministranten vorstehen. Sowohl bei den Gruppenleitern als auch den Oberministranten handelt es sich um ältere und angesehene Ministranten. Deren Ernennung erfolgt intern durch Cliquenbeziehungen und ohne jede demokratische Legitimierung. Dazu kommen noch hierarchische Ämter während des Lagers wie den sog. Zeltleitern oder Leitern bei den Tagesmärschen, die sich allerdings mit den Gruppenleitern überschneiden können. Unter dieser kleinen Zahl an Führungspersonal steht die Masse der jungen Teilnehmern. Die skizzierte Hierarchie funktioniert als System absolutem Befehl und Gehorsams. Den Anweisungen der Gruppenleitern ist Folge zu leisten. Darüber hinaus gibt es appellähnliche Aufstellungen, sowohl zu festgelegten Uhrzeiten als auch bei dem Trillerpfeifenton der Lagerleitung.

Am deutlichsten und brutalsten tritt die Disziplinierung der jungen Lagerteilnehmer durch Hierarchie jedoch beim bereits erwähnten Waschritus als auch beim gemeinsamen Essen auf. Während des Essens darf der Tisch nicht verlassen werden. Kindern, die ihren Harndrang (noch) nicht entsprechend kontrollieren können, werden so brutal zu absoluter Disziplin erzogen. Ebenso ist es Pflicht seinen Teller leer zu essen. Keine Rücksicht genommen wird auf Sättigung oder
Ekelgefühlen. Weigerung wird nicht akzeptiert, und zieht nur größere Aufmerksamkeit auf sich. Letztendlich muss der Teller leer gegessen werden, was bis zum Brechreiz durchgesetzt wird. Beide Regelungen erfolgen offen und ausdrücklich mit dem Bestreben die Kinder zu Ordnung und Disziplin zu erziehen. Dabei spielen Ältere und höhergestellte Ministranten offen sadistisch ihre Macht aus. < <

Die hier dargestellten Geschehnisse müssen als Spiegel der gesellschaftlichen Realität begriffen werden. Diese steht dem Individuum als feindliches Umfeld gegenüber, das soziale Disziplinierung, Ausrichtung und Einpferchung vielleicht noch subtiler täglich erfahrbar macht.
Gehorsam, Disziplin und Ordnung, sind aber nicht nur deutscheste Tugenden, sie sind die absolute soziale Notwendigkeit einer totalitären Vergesellschaftung durch Arbeit. Eine Gesellschaft, die einerseits so umfassend auf das Individuum zugreift, ihm Härten abverlangt, in Kollektive presst und deren Glücksversprechen andererseits ein ums andere mal als himmelschreiende Farce erscheint, ist notwendigerweise auf innere Disziplinierung seiner Objekte angewiesen. Seit Kaiserszeiten übt das Militär als „Schule der Nation“ diese Funktion passend aus, mit Brandts Regierungserklärung «69 kommen folgerichtig auch die Bildungsanstalten als geeignete Institution zur Disziplinierung hinzu. Der dokumentierte Aussteigerbericht stellt die katholischen Jugendlager ebenfalls in diese Kategorie. Sie erscheinen als BootCamps, als Institutionen psychischer und physischer Disziplinierungsgewalt. Als Inbegriff Roland Kochs feuchtester Träume. Die soziale Funktion der Disziplinierung ist die Vorbereitung auf ein Leben als Objekt einer totalen Gesellschaft. Gemeinsam mit der Schule ist diesen Camps, dass hier auf jüngste Mitglieder der Gesellschaft zugegriffen wird. Durch Angst, Druck und Befehl und Gehorsam werden sie autoritär
sozialisiert. Das Produkt dieser Erziehung zum Gehorsam ist ein rassistischer, sexistischer, obrigkeitshöriger autoritärer Charakter. Ein Untertan im Mannschen Sinne, der nach Unten tritt und nach Oben buckelt, der sich in agressiven Kollektiven wohl fühlt, der die Obrigkeit nur kritisiert, wenn er das Kollektiv gefährdet sieht. Der bereitwillig und aufopfernd seinen Teil zum Wohl des Kollektivs beiträgt. In anderen Worten, und dem Schrecken der gegenwärtigen Tage geschuldet,
kšnnte man ihn auch einen 'Schland'-Fan nennen. Die katholischen BootCamps in Unterfrankens Wäldern und Auen sind also nicht nur Spiegel des barbarischen Zustandes der Gesellschaft sondern auch Vorbereitung auf die Hörten, die diese
Gesellschaft vom Individuum abverlangt. In ihrer sozialen Funktion der Disziplinierung des Einzelnen vereinen sie notwendigerweise beides, nach dem Motto:
„Disziplin und Gehorsam wirst du überall finden, mein Kind. Es ist also wirklich nicht schlecht sie in jungen Jahren zu erfahren.“ (1)

A to the Teo

____________________________________________
(1) Karl v. Medina

Posted in allgemeines, das wetter, für unsere kleinen, gastbeitrag, gesellschaft, gossip, heft 14b/15/16, langweilig, spiele, sport.


4 Responses

Stay in touch with the conversation, subscribe to the RSS feed for comments on this post.

  1. Pit says

    So viel Mist habe ich wirklich schon lange nicht mehr gelesen. Wie man das Lagerleben so negativ beschreiben kann, bleibt mir ein Rätsel. Ich muss sagen diese Freizeiten waren und sind für mich in unglaublich positver Weise prägend gewesen. Gerade der nächtliche Fahnenklau stärkt dabei ungemein die Gruppe im Allgemeinen und die nachtwache gibt die Möglichkeit sich einmal unmittelbar mit der natur auseinander zu setzen. Dabei muss ganz bestimmt niemand Dienst tuen, der verängstigt ist. Zumal die Kleinen von großen Betreuern durch den Wald geführt werden und vielmehr lernen sollen in den Wald zu lauschen und die Geräusche eines Rehs oder eines Baumes zu interpretieren. Bei der Lackerfeuerromantik diese Lieder herauszustellen, ist für diesen Bericht wieder absolut bezeichnend und gleicht schon fast einer Diffarmierung der Camps, da die anderen Lieder sich überwiegend auf Songs mit christlichem Gedankengut und nächstenliebe beschränken… Der Bericht ist so unglaublich unzutreffend in seiner Beschreibung, da kann ich mich dem Vorkommentar nur anschließen, eine unglaublich gequirlte Scheiße ist das!!!

  2. sprachvoll says

    Ob sich hinter Sprachlos nun die Inquisitionsabteiltung des BDKJ verbirgt oder der katholische Kleinbürger und eifernde Mixa-Jünger, wer kann es wissen?
    Entarnt werden kann er aber wohl als Vertreter eben jener Persönlichkeiten, die im Schlussabsatz so treffend beschrieben werden.

  3. Sprachlos says

    Auch wenn ihr meint meinen Kommentar wegzensieren zu müssen, wiederhole ich ihn hier: „Eine so gequirlte Sch***, verpackt hinter solch gewählten Worten, macht mich einfach sprachlos. Der Autor muss in seiner Kindheit wirklich Tragisches erlebt haben und meint nun diese Erfahrungen zu generalisieren. Mein Beileid

  4. Sprachlos says

    Also zu so viel gequirlter Sch***, verpackt in solch gewählten Worten fällt mir nichts mehr ein….